Vernehmungslehre

Tatsachenfeststellung und Vernehmungslehre

Junge Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte haben sich während der Ausbildung in der Regel auf die Rechtsdogmatik und später auch Rechtsanwendung fokussiert. In der Praxis dagegen hat die Tatsachenfeststellung eindeutig den Vorrang, und nur selten geht es dabei um Rechtsfragen.  Anders als im Studium stehen die rechtlich zu beurteilenden Sachverhalte gerade nicht fest, ein wesentlicher Teil der Arbeit ist die korrekte und je nach Prozessordnung umfassende Tatsachenerhebung.

 Die Teilnehmenden werden Rahmen der Veranstaltung mit den praktischen Herausforderungen einer Vernehmungssituation am Beispiel einer Zeugenvernehmung unter Anleitung konfrontiert. Besonderes Augenmerk liegt auf den Elementen der Aussagepsychologie und der allgemeinen Vernehmungstechnik, sowie den Grundlagen der Kommunikationslehre. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen werden umrissen. Die Teilnehmer erhalten ferner am Ende der Veranstaltung als praktische Übung die Gelegenheit, sich selbst einmal als Vernehmungsperson und/oder Zeuge zu versuchen.

Glaubhaftigkeit und Vernehmungslehre

Im Gerichtsprozess gilt neben den Beweismitteln der Urkunde und des Augenscheins die Zeugenaussage als eines der verbreitetsten Beweismittel und vielmals einzige Tatsachengrundlage für eine Sachverhaltsermittlung und Urteilsfindung. Aber auch für die anwaltliche Tätigkeit ist die persönliche Aussage Dritter – sei des der Mandantschaft oder der Gegenseite – regelmäßig von maßgeblicher Relevanz für eine sorgsame Mandatsübernahme. Kernfrage bei jeder menschlichen Aussage ist die nach deren Belastbarkeit und ihrem Wahrheitsgehalt. Es gilt zu erkennen und einzuordnen, wann, in welchem Umfang und wozu Menschen lügen oder die Wahrheit unter- oder überkomplex wiedergeben. Während früher schon vom gesellschaftlichen Status der aussagenden Person („ehrbare Person“) auf die Verlässlichkeit und Integrität der Aussage geschlossen wurde (sog. Glaubwürdigkeit), steht heute die Glaubhaftigkeit der Aussage im Mittelpunkt. Ganz ohne Einfluss hierauf sind die persönlichen Umstände der Aussagenden aber auch nicht, weshalb die Glaubwürdigkeit auch heute noch in einem gewandelten Verständnis von Relevanz ist. Im Kurs werden die Grundlagen der Aussagepsychologie, der Vernehmungsmittel und der Überprüfungstechnik für die Vernehmungssituation vermittelt und geübt.