Veränderungen im öffentlichen Auftragswesen durch europäisches und internationales Recht

Projekt HA 1116/7.1 der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Dauer:

September 2000 - Juni 2004 (abgeschlossen)

Fragestellung:

Bei dem Projekt ging es im Wesentlichen um die Frage, ob die mit den Vorschriften zur Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand verbundenen Zielsetzungen (freier Wettbewerb zwischen den Anbietern; Ermittlung des besten Angebots für den öffentlichen Auftraggeber) tatsächlich erreicht wurden. Diese Fragestellung machte es neben der Auswertung der bislang ergangenen Gerichtsentscheidungen und des einschlägigen Schrifttums vor allem erforderlich, die praktischen Erfahrungen und Einschätzungen der mit der Vergabe öffentlicher Aufträge regelmäßig befaßten Verbände und Organisationen, privatwirtschaftlichen Unternehmen sowie der zuständigen Stellen der öffentlichen Hand zu untersuchen.

Zusammenfassung der Ergebnisse:

Das DFG-Forschungsprojekt hat ergeben, dass das gemeinschaftliche Instrumentarium auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens grundsätzlich geeignet ist, einen freien Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Anbietern sowie die Bildung eines europaweiten Marktes für öffentliche Aufträge zu gewährleisten. Außerdem ist nach dem bisherigen Erkenntnisstand darauf zu schließen, dass die Ermittlung des besten Angebots zu einer Entlastung der öffentlichen Haushalte in der EU führen wird.
Im Hinblick auf die Bundesrepublik Deutschland hat das Forschungsprojekt zu dem Ergebnis geführt, dass die in anderen Mitgliedstaaten der EU schon fortgeschrittene positive Entwicklung auf dem Gebiet der öffentlichen Auftragsvergabe gegenwärtig noch durch verschiedene teils traditionell-bedingte, teils normativ-bedingte Gegebenheiten behindert wird. So wird die Öffnung des deutschen Vergabemarktes beispielsweise dadurch erschwert, dass die früheren deutschen Vergabebestimmungen nicht rechtsverbindlich waren und keine subjektiven Überprüfungsrechte für unberücksichtigte Bieter vorsahen. Diese Situation hat zwei Konsequenzen: Zum einen muss durch die seit 1999 in Kraft befindlichen Vorschriften zunächst einmal ein transparenter und wettbewerbsorientierter innerstaatlicher Vergabemarkt in Deutschland gebildet werden, bevor es zur einer Europäisierung des öffentlichen Auftragswesens kommen kann. Außerdem hat der Mangel an Rechtsverbindlichkeit und das Fehlen subjektiver Rechte im Vergabeverfahren teilweise zu einer über Jahrzehnte hinweg andauernden kollusiven Vergabepraxis geführt. Diese hat wiederum zur Folge, dass nachträgliche Untersuchungen der Zeit vor 1999 auf große Widerstände stoßen und vergleichende Ansätze kaum möglich sind. Darüber hinaus besteht gegenwärtig eine normativ-bedingte Behinderung für die Liberalisierung der Auftragsvergabe in Deutschland in der äußerst komplexen und unübersichtlichen Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften durch das Kaskaden- und durch das Schubladenprinzip (vgl. Unterteilung in GWB, VgV, VOB/VOL/VOF, LandesvergabeG).
Ungeachtet der bestehenden methodischen Schwierigkeiten lassen sich die Ergebnisse des Forschungsprojekts mit den Resultaten anderer Erhebungen, etwa von Seiten der Europäischen Kommission, vergleichen. Dabei hat sich herausgestellt, dass sich diese mit denen der EU decken und vollauf in das Bild der gegenwärtigen Erkenntnisse über die Entwicklung der europäischen Beschaffungspraxis passen. Nach heutigem Stand werden die benannten Hemmnisse jedoch dazu führen, dass in der Bundesrepublik Deutschland noch einige Jahre vergehen werden, ehe sich die vom Gemeinschaftsgesetzgeber ins Auge gefassten Ziele der Vergaberechtsreform erreichen lassen.