Maurer war nicht nur beharrlicher und leidenschaftlicher Forscher - die Studierenden lagen ihm ganz besonders am Herzen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Ibler
© Ute Maurer

Nachruf
Hartmut Maurer

(1931-2024)

Am 6. Januar 2024 ist Hartmut Maurer im Alter von 92 Jahren verstorben.

Wer ihn persönlich kannte, schätzte seine stets spürbare wissenschaftliche Neugier, seine Bescheidenheit und die wohlwollende Freundlichkeit, mit er auf seine Gesprächspartner zuging. Wer ihn weniger kannte, verbindet mit seinem Namen zuvörderst sein „Allgemeines Verwal- tungsrecht“, das 1980 erstmals erschien und bis zur 18. Auflage allein aus seiner Feder  stammte (fortgeführt seit 2019 als Maurer/Waldhoff). Es war damals das erste große Lehrbuch zu diesem Gebiet nach der Reform des Verwaltungsverfahrensrechts, und es war so klar geschrieben, dass die Studierenden die vermeintlich spröde Materie auf Anhieb verstanden. Jahrzehnte hindurch hat praktisch jeder junge Jurist, jede junge Juristin, das Verwaltungsrecht mit „dem Maurer“ erlernt. Hartmut Maurer hatte die besondere Gabe, komplizierte rechtliche Zusammenhänge und Gedankengänge in wenigen und verständlichen Worten glasklar zu ver- mitteln. Kein Wunder also, dass das Werk ins Französische, Spanische, Brasilianische, ins Estnische, Polnische, Koreanische, Chinesische und Taiwanische übersetzt worden ist. Sein mit der Emeritierung 1999 erschienenes zweites großes Lehrbuch „Staatsrecht I“ (fortgesetzt in der 7. Auflage als Maurer/Schwarz) verdient ähnliches Lob: Anders als es heute oft üblich ist, hat hier ein Autor sein Lehrbuch zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen unseres Staates erst vorgelegt, nachdem er zum Meister des Verwaltungsrechts geworden war - aus der Fülle dieses Wissens und Verständnisses schöpfend sowie aus Einsichten seiner viel weiter gespannten Forschung.

Eine Vorliebe für das Kirchen- und das Staatskirchenrecht war dem Pfarrerssohn in die Wiege gelegt; die Früchte daraus sind die 1957 bei Werner Weber entstandene Doktorarbeit über „Die Verwaltungsgerichtsbarkeit der evangelischen Kirche“ und über zwanzig kirchen- und staatskirchenrechtliche Forschungsbeiträge – auch Maurers großes Engagement in der evan- gelischen Kirche als Synodaler und als Rechtsberater rührte daher. Das nachhaltige Interesse Maurers am Verfassungsrecht belegen die bei Günter Dürig entstandene Tübinger Habilitationsschrift über „Die Rechtsfolgen der Nichtigerklärung von Gesetzen“ und seine weiteren Monographien zum Parlamentsrecht, zum Wahlrecht, zur Demokratie und zur Staatshaftung. Weit über vierzig Aufsätze zu staatsrechtlichen Grundfragen über politische Parteien, Vertrauensschutz, Eigentumsgarantie, oberste Bundesorgane und über Entwicklungen in der Verfassungsgeschichte der Neuzeit halten sich die Waage mit fast ebenso vielen Beiträgen zum Allgemeinen und zum Besonderen Verwaltungsrecht.

Der berufliche Lebensweg führte Maurer nach dem Studium in Tübingen und in Göttingen (1950-1954), der Göttinger Dissertation (1957), dem Referendardienst (bis 1959) und der Habilitation (1964, wiederum in Tübingen) sowie Lehrstuhlvertretungen in Saarbrücken, Berlin (FU), Lausanne, Göttingen und Marburg auf einen ersten eigenen Lehrstuhl an die Marburger Universität (1969) und von dort 1978 an die Universität Konstanz. Ihr blieb er trotz eines Rufs nach Köln treu und trug durch seine Publikationen und Vorträge zum Ansehen dieser jungen Universität tatkräftig bei.

Die sein gesellschaftliches und wissenschaftliches Lebenswerk krönenden Anerkennungen er- hielt Maurer zum 70. Geburtstag durch das Bundesverdienstkreuz und durch die von seinen Fakultätskollegen Max Emanuel Geis und Dieter Lorenz herausgegebene Festschrift „Staat . Kirche . Verwaltung“ (C.H.Beck 2001) mit Beiträgen von 80 Staatsrechtslehrerkollegen, sowie, zum 80sten, mit dem Symposium des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Universität Konstanz („Verwaltung . Verfassung . Kirche“, C.H.Beck 2011). Maurer hat dies bescheiden und freudig entgegengenommen - und unermüdlich weiter publiziert und geforscht, zuhause und in dem Büro, das seine Universität ihm dankbar beließ.

Maurer war nicht nur beharrlicher und leidenschaftlicher Forscher - die Studierenden lagen ihm ganz besonders am Herzen. Speziell für sie waren sein „Allgemeines Verwaltungsrecht“, sein „Staatsrecht I“ und viele Ausbildungsbeiträge in Fachzeitschriften gedacht. Vor allem aber suchte und genoss er das persönliche Rechtsgespräch mit Studierenden und Kollegen. In Konstanz wie auf seinen vielen Vortragsreisen – besonders engagierte er sich in Estland, Polen, Südkorea und Kolumbien – legte er Wert darauf, dass jeweils im Anschluss an seinen Vortrag diskutiert wurde, und jeder mitdiskutieren durfte. An der Universität hat er sich nie auf Pflichtvorlesungen beschränkt. Viele Semester lehrte er zusätzlich als Gastprofessor an der Universität Lausanne. Seine Konstanzer Seminare waren rechtsvergleichend geprägt und fanden oft auch in der Schweiz und in Österreich statt. Als Emeritus engagierte sich Maurer - reisend, vortragend und erklärend - mehr als 15 Jahre lang in der (von Dieter Lorenz gegründeten) deutsch-kolumbianischen Hochschulpartnerschaft zwischen den Universitäten Konstanz und  Santo Tomás in Bogotá und in einem allwöchentlichen Konstanzer Doktorandenseminar, das von den Studierenden gerade auch deshalb gerne besucht wurde, weil sie hier ganz unbefangen mit „unserem berühmten Maurer“ diskutieren konnten. Dass mit der Corona-Krise der persönliche Kontakt lange Zeit wegfiel, traf ihn stark; danach wurde ihm manches zu schwer. Zum Glück standen seine Frau Ute, seine Kinder und sieben Enkel zur Seite.

Martin Ibler