Doktoranden- und Habilitandenkolloquium "Seegespräche" auf dem Gebiet des Zivilrechts

Blick auf die Uni-Terrasse und Mainau
Blick auf die Uni-Terrasse und Mainau

Die Seegespräche wurden im Sommer 2013 durch Dr. Christoph Wendelstein (Habilitand am Lehrstuhl von Prof. Dr. Michael Stürner, M. Jur., Oxford) ins Leben gerufen und werden seitdem in regelmäßigen Abständen mehrmals im Monat durchgeführt. 

Sie verstehen sich als Forum für den wissenschaftlichen Austausch der zivilrechtlich interessierten Mitarbeiter, Doktoranden und Habilitanden der Universität Konstanz. Kolleginnen und Kollegen stellen zunächst in einem Vortrag von 20-40 Minuten ein Thema vor, um es im Anschluss im Kollegenkreis zu diskutieren. Die Bandbreite der Vortragsthemen ist groß; sie umfasst das allgemeine Zivilrecht ebenso wie die Nebengebiete und das nationale wie internationale Prozessrecht. Grundlage der Vorträge sind neben Ausschnitten aus Dissertationen oder Habilitationen auch "Testläufe" für Vorträge oder Aufsätze. Dabei muss nicht zwingend über ein abgeschlossenes Projekt berichtet werden, vielmehr kann das Kolloquium auch "projektbegleitend" zum wechselseitigen Austausch genutzt werden.

Als Referenten wie auch als Zuhörer sind alle Doktoranden und Habilitanden auf dem Gebiet des Privatrechts herzlich willkommen. 


Termine der Seegespräche

Georg Zander

Relics of the Roman Empire – An Introduction to German Civil Law

Philipp Büchler

Bankentrennung in der EU: Risiken und Nebenwirkungen – Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Trennbanken-Verordnung

Jonas Kotzur

Die Vollstreckbarkeit von Ergebnissen außergerichtlicher Schlichtungen

Harald Frey

Unterliegt der Access-Provider der Haftungsprivilegierung nach § 8 TMG? 

Die Tätigkeit der Access-Provider fällt als reine TK-Dienstleistung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG aus dem Anwendungsbereich des TMG heraus. Der Verfasser untersucht, wie dennoch von den Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie (ECRL) ausgehend die Anwendbarkeit des § 8 TMG auf Access-Provider begründet werden kann.

Matthias Klöpfer und Christoph Wendelstein

Neueste Entwicklungen im prozessualen und kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzrecht – Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Emrek

Die Reichweite des prozessualen und kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzes ist weder in sachlicher noch in persönlicher Hinsicht abschließend geklärt. Matthias Klöpfer und Dr. Christoph Wendelstein berichten kritisch über die neuesten Entwicklungen auf diesen Gebieten. Den Schwerpunkt bildet dabei die jeweilige Konkretisierung durch den EuGH. Die Referenten kritisieren neben methodischen Defiziten in der Rechtsprechung des EuGH die Überbetonung des Verbraucherschutzes durch Negierung eines Kausalitätserfordernisses im Rahmen des Art. 15 Abs. 1 lit. a EuGVVO. In der Folge ginge es in Wahrheit nicht mehr um den Schutz des konkreten Verbrauchers, sondern um die Wahrung des Verbraucherschutzes als Institution. 

Georg Zander

Die Sicherung der vertraglichen Ansprüche des privaten Bauherrn beim Bauen aus einer Hand

Im Jahr 2012 mussten ca. 4500 Bauunternehmen Insolvenz beantragen. Nahezu 10% aller Streitigkeiten vor den Landgerichten sind Baustreitigkeiten. In den Jahren 2008-2012 sind ca. 4% aller Verbraucherinsolvenzen (Tendenz abnehmend) auf eine gescheiterte Immobilienfinanzierung zurückzuführen. Dieser Befund legt nach Georg Zander folgende Thesen nahe:

  1. Die Risikolage des Bauherrn erfordert eine umfängliche Absicherung seiner Ansprüche.

  2. Die gesetzliche Sicherung der Ansprüche des Bauherrn ist unzureichend.

  3. Die vertraglichen Sicherungsmöglichkeiten des Bauherrn ermöglichen zwar grundsätzlich eine Sicherung der Ansprüche des Bauherrn, bergen jedoch beachtliche Restrisiken sowie erhöhen über die Maßen hinaus die Kosten der Bauleistung.

  4. Ein umfassender Schutz des Bauherrn (vor der Insolvenz des Generalunternehmers bzw. -übernehmers) ist über ein einziges Sicherungsmittel möglich.

Harald Frey und Julia Kilian

Die Neufassung des § 97a UrhG 

Mit der Neuregelung des § 97a UrhG bezweckt der Gesetzgeber die Beseitigung von Missständen bei der urheberrechtlichen Abmahnung. Die Norm, die am 9.10.2013 in Kraft getreten ist, beinhaltet einige tiefgreifende Änderungen der bisherigen Rechtslage, die noch ungeklärte Rechtsfragen aufwerfen. Harald Frey und Julia Kilian untersuchen die Neurregelung im Einzelnen und nehmen eine kritische Bewertung im Lichte der gesetzgeberischen Zielsetzung vor. Nach ihrer Auffassung ist zu erwarten, dass insbesondere die Auslegung der Unbilligkeitsregelung in § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG zentrale Weichen für die künftige Abmahnpraxis stellen wird. Sie schlagen eine restriktive Auslegung dieser Regelung vor, um so dem Willen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, der in bewusster Abkehr zur praktisch wirklungslosen Vorgängernorm des § 97a Abs. 2 UrhG a.F. tätig wurde. Bei der Kostenberechnung sei eine stärkere Annährung an den tatsächlichen Arbeitsaufwand der Abmahung in der Praxis erforderlich.

Andreas Brommer

Rechtsfolgen der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft

Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft sind einem erheblichen Haftungsrisiko ausgesetzt, da sie selbst für eine nur fahrlässig begangene Aufsichtspflichtverletzung mit ihrem gesamten Privatvermögen einstehen müssen. Die Einführung der Business Judgment Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG und die grundsätzliche Möglichkeit, das Haftungsrisiko mit einer D&O-Versicherung zu versichern, bieten einen wertvollen, zugleich aber nur sehr lückenhaften Schutz. Das Schrifttum sieht insbesondere bei Unternehmensgeldbußen die Notwendigkeit für eine weitere Entschärfung der Haftungsfolgen. Andreas Brommer stellt die zu dieser Fragestellung vertretenen Ansätze vor und leitet aus der gesellschaftsrechtlichen Fürsorgepflicht eine Begrenzung des materiellen Rückgriffsanspruchs ab.

Patrick Henn

Erbschaftsteuerliche Begünstigung von betrieblichem Vermögen

Matthias Klöpfer

Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht

Das Europäische Zivilverfahrensrecht hat mittlerweile ein Ausmaß und einen Grad der Harmonisierung erreicht, die es erforderlich machen, sich mit Grundlagenfragen auseinanderzusetzen. Eine dieser Fragen ist diejenige des Missbrauchs von Verfahrensrecht. Hiermit sind insbesondere die Fälle der Gerichtsstandserschleichung, des missbräuchlichen forum shoppings, die sog. Torpedoklagen und andere Fälle der Zweckentfremdung von Verfahrensrecht gemeint. In der verfahrensrechtlichen Literatur und auch in der Rechtsprechung des EuGH setzt man in Missbrauchsfragen – wenn überhaupt – am jeweiligen Einzelproblem an und schafft so Insellösungen, was der Entwicklung einer grundlegenden Doktrin im Wege steht. Auch im Zuge der Reform der EuGVVO wurde zwar das Missbrauchspotential bestimmter Verfahrensregeln erkannt, aber wiederum nur eine an Einzelfällen orientierte Lösung umgesetzt. Da aber Unionsrecht nationales Zivilverfahrensrecht jedoch mehr und mehr verdrängt, ist ein abstrakter Lösungsansatz für Fälle potentiellen Missbrauchs notwendig.

Matthias Klöpfer versucht, parallel zu den mitgliedstaatlichen Zivilverfahrensrechten einen nicht am Einzelproblem ansetzenden Lösungsansatz auf rechtsvergleichender Grundlage zu entwickeln, was bisher noch nicht Gegenstand tiefergehender Untersuchungen war. Dabei dient ihm das sog. unionsrechtliche Missbrauchsverbot, ein in anderen Teilen des Unionsrechts entwickelter Allgemeiner Rechtsgrundsatz, als Ausgangspunkt. Von besonderem Interesse ist für ihn dabei die Frage der grundsätzlichen Übertragbarkeit dieses Grundsatzes in das Europäische Zivilverfahrensrecht. Hierbei stellt er vor allem die Frage, wie und ob das Missbrauchsverbot mit anderen allgemeinen Rechtsgrundsätzen (Rechtssicherheit, gegenseitiges Vertrauen, etc.) in Einklang gebracht werden kann. Hierauf aufbauend entwickelt er eine Lösung gegenwärtiger und künftiger Missbrauchsgestaltungen.